Weisser Wasserstoff möglicherweise wichtiger als bislang angenommen

Ein Beitrag von Prof. Othmar Müntener, Université de Lausanne

Wasserstoff wird als zunehmend wichtige Alternative für die Strategie der Dekarbonisierung betrachtet, aber wirklich wirtschaftlich und umweltrelevant wäre die Nutzung natürlichen oder ‘weissen’ Wasserstoffs, der bei der Alterierung eisenhaltiger Gesteine und durch Radiolyse entsteht.

Da Wasserstoff sehr klein ist, diffundiert er viel schneller durch Gesteinsformationen als andere Moleküle. Es ist daher schwierig, wasserstoffreiche Reservoire zu bilden, die in Gesteinen gefangen bleiben. Zudem kann Wasserstoff mit anderen Gasen reagieren und unter anderem Methan bilden, oder wird durch Mikroorganismen abgebaut. Die Schwierigkeiten in der Nutzbarmachung dieser Ressource liegen daher nicht in der Bildung, sondern im Auffinden von Zonen, wo Wasserstoff genügend angereichert ist, so dass es sich wirtschaftlich lohnt danach zu bohren.

Weisser Wasserstoff wird schon länger als eine wichtige Quelle für die Entstehung von Leben auf der Erde und anderen Planeten innerhalb und ausserhalb unseres Sonnensystems angesehen. Dazu braucht es möglichst eisenhaltiges Gestein und Wasser, das miteinander reagiert und das Eisen oxidiert und nahezu undurchlässige Gesteinsschichten, um den Wasserstoff anzureichern. Untersuchungen an wässrigen Lösungen aus dem Untergrund zeigen, dass Wasserstoff meist nur ein Nebenbestandteil der Gaszusammensetzung ausmacht, doch erst in letzter Zeit haben eine Serie von unerwarteten Funden weltweit angedeutet, dass weisser Wasserstoff wichtiger sein könnte als bisher angenommen.

Neue Resultate aus einer Chrom-Mine in Albanien weisen darauf hin, dass jährlich ca. 200 Tonnen Wasserstoff entlang einer Bruchzone entweichen, bei einer Gaszusammensetzung, die zu 85% aus Wasserstoff besteht. Die ‘Lebensdauer’ dieses Systems wurde auf Jahrzehnte bis wenige Jahrhunderte abgeschätzt. In der Schweiz gibt es mehrere geologische Zonen, insbesondere in Graubünden und im Wallis, wo weisser Wasserstoff nachweislich gebildet wird. Internationale Bohrungsprojekte mit Schweizer Beteiligung in ähnlichen Gesteinen im benachbarten Norditalien weisen auf Wasserstoffproduktion hin. Daten zu weissem Wasserstoff in der Schweiz sind selten, sollten aber umfassend erhoben werden, um den Beitrag zur Energiegewinnung besser abschätzen zu können.

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