Ein Beitrag von Sven König, IWB
Die Nutzung von nachhaltigem Wasserstoff ist ein wichtiges Standbein der Energiewende im Rahmen der Netto-Null-Transformation der Schweiz. Daher plant die greenH2, ein Joint Venture aus den Industriellen Werken Basel (IWB) und der Fritz Meyer AG, AVIA, zusammen mit Industriepartnern (GETEC Schweiz AG, Linde Gas Schweiz AG, Delica AG, Schweizer Rheinhäfen), ein in der Schweiz einmaliges Ökosystem für grünen Wasserstoff in der und für die Region Basel. Im Fokus stehen heute durch Erdgas betriebene und noch nicht elektrifizierbare Prozesse wie Abluftverbrennungsanlagen, stoffliche Anwendungen in der Industrie, sowie der Strassenschwerlastverkehr und die Schifffahrt. Insbesondere für die Dekarbonisierung von Hochtemperaturindustrieprozessen fehlen heute noch alternative erneuerbare Verbrennungsgase in ausreichender Menge.
Kern des «H2-Ökosystem beider Basel» ist eine Produktionsanlage für jährlich 1600 Tonnen grünen Wasserstoff im Rheinhafen von Birsfelden (Baselland). Der für die Elektrolyse benötigte erneuerbare Strom wird durch das Wasserlaufkraftwerk Birsfelden bereitgestellt. Es ist geplant, den Wasserstoff über ein eigens dafür zu bauendes, sechs Kilometer langes Teilnetz des Schweizer Gasnetzes zu den Kunden zu transportieren. Die Abwärme der Anlage wird in das örtliche Fernwärmenetz eingespeist, was den Wirkungsgrad der Anlage erhöht. Ein erster Streckenabschnitt des Gasnetzes wird 2025 fertiggestellt und weitere befinden sich in Planung.
Um den zukünftig steigenden Bedarf an grünem Wasserstoff über die geplante Produktionskapazität hinaus abzusichern, ist zudem ein Anschluss an europäische Wasserstoffnetze in Frankreich und Deutschland in den 2030er Jahren geplant. Für die Industrie wird die Erdgasversorgung, bis zum Anschluss an das Europäische Wasserstoffnetz, als Redundanz parallel aufrechterhalten.
Herausforderungen bei der Umsetzung des Projektes
Das vorliegende Projekt betritt in vielerlei Hinsicht Neuland – nebst technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen sind es die offenen regulatorischen und gesetzlichen Fragestellungen, welche essentiell für die Umsetzung des Vorhabens sind und mit hoher Dringlichkeit geklärt werden müssen:
1. Handel von grünen Wasserstoff-HKN
Die Energieverordnung (EnV) regelt die Herkunftsnachweise (HKN) für erneuerbare Gase. Diese sieht vor, dass ein HKN von grünem Wasserstoff, der in ein reines Wasserstoffgasnetz eingespeist wird, nicht auf Erdgas, das anderswo verbraucht wird, angerechnet werden kann. Dies ist für uns nicht nachvollziehbar, da energiegleiche Verrechnungen auch zwischen Biogas-HKN und Erdgas erfolgen. Sowohl Wasserstoff als auch Erdgas können in der Industrie für gleiche Anwendungen verwendet werden.
Diese aktuelle Regelung behindert den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft wesentlich, da erst durch den separaten Verkauf von H2-Molekül und H2-Zertifikaten, Wasserstoff zu Erdgas wettbewerbsfähig und damit von der Industrie als Brennstoff kaufbar wird. Hierzu gibt es zwei wesentliche Betrachtungen
- Handel des grünen Wasserstoffzertifikats und Übertragung des ökologischen Mehrwerts
Wir fordern, dass Wasserstoff als Ersatz für Erdgas voll anerkannt wird und dadurch die stoffübergreifende Anrechnung von grünen Wasserstoffzertifikaten ermöglich wird. Im Detail bedeutet dies, dass die HKN ungeachtet der Lieferart zum Kunden (Pipeline oder LKW) und dem Ziel Brenn- und Treibstoff angewendet werden können.
- Übertragung des ökologischen Minderwerts auf den Wasserstoff
Sofern der grüne HKN getrennt vom Molekül veräussert und zur Begrünung von Erdgas benutzt wird, hat der Wasserstoff keinen HKN mehr, ist also HKN-frei. Für ein weiteres Monitoring und Vermeidung eines Double-Counting des ökologischen Mehrwerts schlagen wir vor, den «CO2-Abgaben-Rucksack» des begrünten Erdgases, auf den «farblosen» Wasserstoff zu übertragen.
Analog ist auch eine Lösung für den Bezug und Verkauf des grünen Wasserstoffs, der aus dem Gasnetz bezogen und weiterverarbeitet wird, z.B. für H2-Tankstellen zu finden. Auch hier sollten Endkunden zwischen Wasserstoff mit und ohne grünen HKN wählen können.
Auf praktischer Ebene sollten Anrechnungen bzw. Übertragungen des HKN im HKN-System der Pronovo und zur Verrechnung im Rahmen der CO2-Verminderungspflichten buchbar sein. Dies ist heute noch nicht der Fall.
2. Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft
Die Installation und der Betrieb von Wasserstoffproduktionsanlagen und Peripherie sowie die Umrüst- und Betriebskosten der Anwender in der Industrie und im Schwerlastverkehr generieren hohe Herstell- und Nutzungskosten für grünen Wasserstoff. Aufgrund des sehr niedrigen Preisniveaus fossiler Energieträger ist grüner Wasserstoff heute nicht wettbewerbsfähig. Zur Etablierung der Wasserstoffwirtschaft sind daher Investitionskostenbeiträge und Betriebskostenzuschüsse bzw. die LSVA-Entlastung des Schwerverkehrs essentiell. Hier plädieren wir dafür, mit den Förderungen längere Zeiträume abzudecken, sodass die Industrie höhere Planungssicherheiten für die zu tätigenden Investitionssummen der meist über 20 Jahre laufenden Business Cases erhält.
Anmerkung an die Politik
Es kann ganz klar festgestellt werden, dass die heutigen Preise der fossilen Energien und vice versa der CO2-Abgaben die Wettbewerbsfähigkeit alternativer Energieformen stark erschweren. Nur disruptive technische Innovationen könnten zu einer signifikanten Senkung der Herstellkosten führen – diese sind jedoch heute nicht absehbar. Daher ist es essentiell, dass heute die politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um grünem Wasserstoff zum Durchbruch zu verhelfen. Die H2-Anwender und Erzeuger sind bereit, bei passenden Rahmenbedingungen, in Vorleistungen zu gehen.