Ein Beitrag von Bernhard Wüest, Geschäftsführer Förderverein H2 Mobilität Schweiz
Am 1. Januar 2025 nimmt das Schweizer Herkunftsnachweissystem (HKN-System) für erneuerbare Treib– und Brennstoffe seinen Betrieb auf. Nach viel Unterstützungsarbeit von Verbänden und Marktakteuren ist die Spannung nun gross, ob das System Chancen bietet für den Markthochlauf von flüssiger und gasförmiger erneuerbarer Energie, oder ob es nur zusätzlichen Aufwand und Kosten generiert.
Wieso ein Register
Das von der Stimmbevölkerung im Juni angenommene Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien bringt Anpassungen in verschiedenen Verordnungen mit sich, welche ab dem 1. Januar in Kraft treten. Einige verlangen die Einführung von Herkunftsnachweisen (HKN) für flüssige und gasförmige erneuerbare Treib- und Brennstoffe, sowie für nicht erneuerbaren Wasserstoff und emissionsarme Flugtreibstoffe (gesammelt als Treib- und Brennstoffe bezeichnet).
Ein solches System besteht im Strombereich schon seit Jahren. Auch im Erdgasbereich besteht eine Clearing Stelle für Biogas-Zertifikate, welche vom Verband der Schweizer Gasindustrie (VSG) aufgebaut und betreut wird. Diese wird nun ebenfalls in das neue HKN-System überführt. Im Bereich der erneuerbaren Flüssigen Treib- und Brennstoffe wurde der ökologische Mehrwert und die strengen Anforderungen jedoch bisher auf andere Art geprüft und nachgewiesen.
Wie funktioniert das System
Im neuen HKN-System werden alle flüssigen und gasförmigen Treib- und Brennstoffe bei der Produktion im Inland oder beim Import dem Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) gemeldet und in einer Datenbank erfasst. Die Pronovo AG betreibt das HKN-System und erzeugt gemäss der Meldung vom BAZG die entsprechende Menge HKNs für die erneuerbare Energie in kWh, und schreibt diese im System dem Konto des Produzenten bzw. Importeurs gut.
Diese HKN kann der Besitzer nun mit seiner Ware handeln, um deren ökologischen Mehrwert zu belegen, oder diese einem klima- oder energiepolitischen Instrument zuweisen. Dadurch wird sichergestellt, dass die Emissionsverminderung des eingesetzten Energieträgers eindeutig und transparent einer Verwendung zugeordnet werden kann, und eine Doppelzählung dadurch ausgeschlossen ist.
Welche Chancen entstehen durch das HKN System
Die Hauptaufgabe des HKN-Systems ist die Vermeidung von Doppelzählung des ökologischen Mehrwerts. Somit werden Transparenz und Nachweisbarkeit für Händler und Kunden verbessert, und Missbrauch vermieden. Es ermöglicht die einheitliche Gleichbehandlung von verschiedenen erneuerbaren Energien, ungeachtet dessen, ob sie gasförmig oder flüssig sind, oder ob sie Leitungsgebunden oder in Tankfahrzeugen transportiert werden.
Mit dem nationalen HKN-System werden endlich auch die seit Jahren in verschiedenen kantonalen Energiegesetzen gestellten Anforderungen an erneuerbare Brennstoffe erfüllbar. Durch die Anpassung an internationale Zertifikatssysteme wird auch der internationale Handel vereinfacht, damit beim Import der ökologische Mehrwert nicht verloren geht, und die Emissionsverminderung in der Schweiz auch anerkannt wird.
Wo könnten Nachteile entstehen
Derzeit ist noch kaum abzuschätzen ob und wie schnell sich in der Schweiz ein Markt für Produkte mit HKN und deren Handel entwickeln wird. Auch wie sich die Preise für HKNs je nach Verfügbarkeit verhalten ist noch unbekannt.
Ebenso könnte es sein, dass die Kosten für die Erstellung der Zertifikate und der zusätzliche administrative Aufwand gerade bei Kleinproduzenten den Preis der erneuerbaren Energie für den Verbraucher zusätzlich verteuert.
Was bedeutet dies für die Mobilität
Als Förderverein H2 Mobilität sind wir besonders daran interessiert, wie dieses HKN-System die Defossilisierung in der Mobilität unterstützen kann. Dabei interessieren unsere technologieoffenen Mitglieder nicht nur der Einsatz von Wasserstoff, sondern alle alternativen Treibstoffe für Strasse, Schiff- und Luftfahrt.
Gerade für den Luftfahrtbereich wird das HKN-System eine entscheidende Rolle spielen. Dieser muss zukünftig per Gesetz 2% erneuerbaren Flugtreibstoff, sogenanntes Sustainable Aviation Fuel (SAF), beimischen. Dieser Anteil wird über die Jahre schrittweise erhöht, und mit und mit Unterquoten für wasserstoffbasiertes e-SAF ergänzt. Der Nachweis für die Erfüllung dieser Pflichten wird über das HKN-System erfolgen müssen.
Auch der öffentliche Verkehr, die Fluss- und Seeschifffahrt sowie Landwirtschaft und Baubranche werden zukünftig auf erneuerbare Treibstoffe angewiesen sein, welche ohne HKN nicht an Emissionsreduktionsverpflichtungen angerechnet werden könnten.
Ein weiterer Nutzer könnte die Fahrzeugimportbranche werden. Diese kann sich beim Import die Verwendung von synthetischen Treibstoffen an ihren Flottengrenzwert anrechnen lassen, wenn sie die entsprechende Menge HKN entwertet.
Für die H2 Mobilität Schweiz bringt ein HKN in erster Linie eine bessere Nachweisbarkeit, dass in der Schweiz an den Tankstellen nur grüner Wasserstoff verwendet wird.
Da derzeit vor allem der gestiegene Wasserstoffpreis das weitere Wachstum der Wasserstoffmobilität bremst, ist zu hoffen, dass die Wasserstoffproduzenten durch das HKN-System neue Wege finden, ihre Produktpreise zu senken. Da H2 im HKN-System als einziger Stoff voll erfasst wird, d.h. auch seine nicht energetische Verwendung in der Industrie, kann grüner H2 neu auch in anderen Bereichen besser vermarktet werden. Dies könnte den Produzenten und Händlern helfen, mehr grünen H2 zu verkaufen, und dadurch den Preis im gesamten Markt senken.
Fazit
Eine klare Aussage darüber, ob das HKN-System beim Hochlauf von erneuerbaren Treib- und Brennstoffen, insbesondere von Wasserstoff, hilft, oder diesen eher behindert, lässt sich vermutlich nicht vor 2026 machen. Zu viele Fragen sind derzeit noch offen, und können erst dann beantwortet werden, wenn alle Akteure ihre ersten Erfahrungen mit dem System gesammelt haben. Zu hoffen ist, dass sich in der Schweiz schnell ein funktionierender HKN-Markt entwickelt, der sowohl den Produzenten als auch den Händlern und schlussendlich dem Konsumenten hilft, die vorhandenen erneuerbaren Energien optimal einzusetzen.
Offizielle Informationsseite zum HKN-System der Pronovo AG: https://pronovo.ch/de/herkunftsnachweise/